„Vorstand oder Aufsichtsrat, was passt zu Dir?“ Diese Frage stand im Mittelpunkt dieser neuen Ausgabe der BOARDSTORIES – Erster VorbilderSaloon für buntere Boards am 7. April 2016 im Berlin-Neuköllner Café Zuckerbaby – diesmal mit Gabriele Thöne, Rechtsanwältin und u.a. ehemalige Finanz-Staatssekretärin des Landes Berlin und Andrea Galle, seit über zwanzig Jahren Alleinvorständin der BKK VBU. Quintessenz: Auch Frauen sollten auf Rituale der Macht setzen, um den vielfach noch männlich dominierten Strukturen ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Jedoch tun sich dabei einige Schwierigkeiten auf.
Die Chancengleichheit von Frauen und Männern im Berufsleben ist bekanntlich ein wichtiger Erfolgsfaktor für Wirtschaftsunternehmen. Dies gilt natürlich auch für die Besetzung von Positionen in den Führungsetagen. Doch der Weg in die Gremien endet für viele Frauen an der berüchtigten gläsernen Decke. Häufig scheitern Frauen dabei an den informellen Spielregeln männlich dominierter Machtstrukturen. Andere Frauen sehen von einer Karriere an die Spitze eines Unternehmens ab, weil sie ihre Erwartungen hinsichtlich einer Balance von Berufs- und Privatleben nicht annähernd berücksichtigt sehen. Es müsste also einen Kulturwandel im Sinne der Frauen geben. Diesen Wandel wird es jedoch nur geben, wenn wiederum mehr Frauen an den Entscheidungsprozessen teilnehmen. Darum fragen sich viele Frauen, was sie selbst tun können, um in Unternehmen mehr Einfluss zu gewinnen.
Ein Schlüssel zum Kulturwandel für eine ausgewogene Besetzung von Gremien bieten die von Clarissa-Diana Wilke (Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin von WOMEN’S BOARDWAY) initiierten BOARDSTORIES – Erster VorbilderSaloon für buntere Boards. Hier treffen immer zwei berufserfahrene Frauen (manchmal ist ein Mann der Gesprächspartner) aufeinander und plaudern wie beim Lunchtermin über ihren persönlichen Weg an die Spitze – oft sind sich die beiden Speakerinnen zuvor noch nicht begegnet. Das besondere: Das Gespräch bleibt unmoderiert. Zum Jahreswechsel ist Kai-Alexander Mark als geschäftsführender Gesellschafter in die Initiative eingestiegen, die seit wenigen Wochen unter WOMEN’S BOARDWAY – Deutsche Gesellschaft für Frauen in Führungspositionen mbH firmiert. Als einer der führenden Business-Coaches lebt Kai-Alexander Mark mit seiner Frau und den fünf gemeinsamen Kindern in der Nähe von Alicante, Spanien. Beim Saloon-Abend im Zuckerbaby wurde er zu einem Grußwort per Skype zugeschaltet. Mit den BOARDSTORIES eröffnen Wilke und Mark informelle Einblicke in die Machtstrukturen von Unternehmen aus erster Hand. Der Erfahrungsaustausch zeigt insofern auch, wie Frauen beruflich erfolgreich ihren Weg gehen können. Zwei gestandene Speakerinnen waren auch diesmal wieder zu Gast bei den BOARDSTORIES.
Gabriele Thöne ist Rechtsanwältin und war Staatssekretärin im Berliner Finanzsenat, nachdem sie zuvor eine Reihe von Spitzenämtern in der Wirtschaft inne hatte. Bereits als junge Frau, sagt sie, setzte sie sich gerne für andere Menschen ein. Nach der Wende ging sie nach Brandenburg und fand sich vielfach in der Rolle einer Übersetzerin wieder, die zwischen den verschiedenen Kulturen vermittelte. Sie hatte bereits viel Erfahrung in Aufsichtsräten gesammelt, als Thilo Sarrazin sie dann als Staatssekretärin für Finanzen nach Berlin holte.
Die Frauen-Quote war einfach nötig, sagt Thöne im Gespräch mit Andrea Galle, weil sich an den Verhältnissen nichts änderte. Die Juristin, die Mandate in diversen Aufsichts- und Verwaltungsräten innehatte, erachtet es als ein Menschenrecht von Frauen, auch in Gremien zu kommen. Die Anfänge der Benachteiligung von Frauen hätten ihre Wurzel indes schon bei der Erziehung von jungen Mädchen zum Perfektionismus, was sich durchaus als ein Hemmnis für die Karriere auswirken könne. Viele Frauen trauen sich später nicht wie die meisten ihrer männlichen Kollegen, den Leistungswettbewerb aufzunehmen.
Auch für Andrea Galle war es wichtig zu lernen, wie Männer „ticken“: Zu DDR-Zeiten hatte sie auch in der Verpflegung von Bauarbeitern zu tun, die ihr gern einmal die Suppenkelle vor die Nase hielten, um auf diese direkte Weise das Essen zu loben. Diese und ähnliche Erfahrungen im Umgang mit Männern seien für Galle eine gute Vorbereitung für ihre späteren Mandate als Wirtschaftskauffrau in Aufsichtsräten gewesen. Denn auch dort hatte sie vorrangig mit Männern und ihren spezifischen Verhaltensweisen zu tun, die sich doch deutlich von denen der Frauen unterschieden. Da kann es manchmal heute noch vorkommen, dass der männliche Kollege fragt: „Was sagt denn ihr Mann dazu?“
Männlicher Einfluss in hohen Positionen, berichtet Galle, wird maßgeblich über feine und feinste Rituale austariert und gefestigt: Redezeit, Körpersprache, Sitzordnung, Nadelstreifenanzug, Dienstwagen und so weiter. Diese Symbole und Rituale der Macht wiederholen sich in den Gremiensitzungen und lassen Frauen in der Regel außen vor. Gleichwohl, sagt Galle, habe sie diese Spiele nie mitgespielt. Es sei jedoch wichtig, dass Frauen ihre eigenen Spielregeln einbringen und durchsetzen. Protektionismus sei unter Männern selbstverständlich.
Da Männer häufig eher Männer als Frauen einstellen, empfiehlt Thöne beruflich engagierten Frauen, von ihren erfahrenen Kolleginnen zu profitieren – etwa im Rahmen einer Mentor/inn/enschaft. Zudem eröffneten Mentoringprogramme informelle Netzwerke, die indes nicht nur geschlechtsspezifisch strukturiert sein sollten. Gerade zu Beginn der Karriere, ergänzt Galle, unterstütze ein professionelles Mentoring Frauen darin, frühzeitig konkrete Vorstellungen zu entwickeln, mit welcher Strategie frau am besten ans Ziel gelange. Anders als Männern falle es vielen Frauen schwer, Karriere als ein Spiel aufzufassen, das es zu gewinnen gelte.
Galle wies auch auf die hohe Bedeutung der Sichtbarkeit von Frauen hin, um für eine Gremientätigkeit vorgeschlagen zu werden. Frauen sollten sich nicht davor scheuen, den Mund aufzumachen und ihre Positionen hörbar zu artikulieren. Als Tipp empfahl sie die Ausrichtung als Arbeitnehmervertreterin – ein Weg, über den Frauen der Erfahrung nach leichter Zugang in den Aufsichtsrat bekommen.
Neben dem Thema der Chancenfairness bei der Verteilung von Spitzenfunktionen in Wirtschaftsunternehmen ging es bei den BOARDSTORIES auch um grundsätzliche Aspekte der Gremienarbeit. Beide Speakerinnen waren sich darin einig, dass Präsenzzeiten und Papierarbeit (rund zwei Abende pro Woche Aktenstudium) ein anderes Verständnis von Freizeit einfordern. Vor allem sei es wichtig, ein gemeinsames Zielverständnis von Vorstand, Geschäftsführung und Aufsichtsrat zu entwickeln und bei aller Aufsichts- und Kontrollpflicht die Hauptaufgaben des Unternehmens nicht aus dem Blick zu verlieren. Wegen der modernen Kommunikationsmittel öffne mancher Aufsichtsrat wichtige Dokumente erst in der Sitzung auf dem Smartphone. Wenn Schnelligkeit vor Gründlichkeit gehe, leide darunter aber die Qualität.
Im Anschluss an diese Ausgabe der BOARDSTORIES im Berlin-Rixdorfer Zuckerbaby – Café & Deli blieb auch wieder Zeit für Fragen aus dem Publikum sowie das anschließende Netzwerken bei Quiches und Wein. Für die musikalische Untermalung sorgte diesmal der Salon-Gitarrist Michael Mihaljo mit seinen GitCats. Ein kurzweiliger Abend, der schon Lust auf die nächste Ausgabe der BOARDSTORIES weckt.
Autor: Moritz Senarclens de Grancy